Künstliche Intelligenz ist gerade das Thema, das Unternehmen aller Größen und Branchen aktuell massiv verändert. Auch Handwerksbetriebe können die neue
Technologie gezielt einsetzen und dabei Zeit sparen und gleichzeitig die Qualität fast aller Prozesse im Geschäftsablauf verbessern.
Wie das geht, verrät Thorsten Moortz. Er ist Unternehmensberater im Handwerk und Spezialist für KI-Anwendung im Handwerk. Lesen Sie hier seine Tipps, was Sie jetzt mit KI in Ihrem Betrieb besser machen können und wie Sie ins Thema richtig einsteigen.
Wie aktuell und wichtig ist das Thema KI für Handwerksbetriebe?
Moortz: Es werden im Augenblick weltweit Unsummen an Billionen Dollar in diese Technologie investiert. Im Vergleich dazu sind unsere sagenhaften Milliarden-Infrastruktur-Programme Peanuts. KI wird alle Bereiche unserer Wirtschaft und unseres Privatlebens berühren. Und auch im Handwerk ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, die sich jeden Tag erweitern. Wenn man die grundlegenden Anwendungen der Tools verstanden hat, kann man Schritt für Schritt den Nutzen der Technik erweitern. KI spart im Handwerksbetrieb Zeit und Nerven. Bedenken Sie, wenn Sie täglich nur 5 Minuten Arbeit im Betrieb sparen, bringt das aufs Jahr in Geld umgerechnet etwa 800 Euro. Und mit KI kann man viel Zeit sparen.
Übernimmt denn die KI in Zukunft Planung und Kreativität im Handwerk?
Moortz: Ganz wichtig ist es zu verstehen, dass KI immer nur ein sehr guter Assistent ist. Um so besser Du - also der Anwender – bist, diesem Assistenten eine Arbeitsaufgabe zu übergeben, umso besser arbeitet KI auch für Dich. Wenn Du eine doofe Frage stellst, kommt eine doofe Antwort raus. Es kommt also auf Deine Struktur an, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Am Ende geht es um die Förderung von Kundenorientierung. KI übernimmt Routineaufgaben und schafft mehr Zeit im Betrieb.
Machen Sie das mal konkret?
Moortz: Das ist z. B. die automatische Erfassung von Kundendaten. Terminplanung kann man heute komplett KI-gestützt machen. Das läuft über sogenannte Voice-Agents, also einen Sprachassistenten, der Deine Termine vereinbaren kann. Am spannendsten ist aber der Bereich der Angebotserstellung. Hier werden die früheren erfolgreichen Projekte des Betriebes genommen und daraus werden neue Budgetplanungen für neue Projekte gemacht.
Angebot erstellen hört sich spannend an. Wie geht das?
Moortz: Man füttert die KI mit Daten aus meiner Firma, also z. B. alte Angebote zu Dachsanierungen, Rechnungen, Entwürfen etc. Hinzu kommt eine Verknüpfung zu den aktuellen Produktkatalogen und Daten der Hersteller. Dann kommt eine neue Auftragsbeschreibung per Ausschreibungstext oder eine Skizze oder mündliche Beschreibung des neuen Projekts.
Und daraus entsteht tatsächlich durch die Magie der KI ein neues Angebot in Echtzeit. Das spart Stunden von Arbeit. Natürlich muss man noch ein wenig überarbeiten, was die KI falsch verstanden hat und nochmal nachbessern. Heißt, die KI ist nicht perfekt und der Anwender bleibt verantwortlich für das Ergebnis, das herauskommt. Wir sparen aber enorm viel Zeit und Arbeit für den Budgetvorschlag an den Kunden. Diesen Vorschlag können Handwerker dann sogar über KI visualisieren lassen und dem Kunden darstellen.
Was gibt es noch für Anwendungen?
Moortz: Ein Handwerkskunde, den wir derzeit in diesem Bereich beraten, hat vom ersten Kontakt also z. B. Telefon-Erstkontakt direkt einen KI-Assistenten mitlaufen. KI hört also sozusagen mit, was der Berater sagt. Nicht, was der Kunde sagt, dafür bräuchte man seine Einwilligung. Die Maschine gibt dann während des Telefonats der beratenden Mitarbeiter Vorschläge für Fragen und Antworten. Also z.B. die Aufforderung 'Du hast vergessen nach der Telefonnummer zu fragen' oder 'Du hast seine Bedürfnisse nicht richtig abgefragt'. Interessiert sich der Kunde z. B. bei der Dacherneuerung auch für eine Photovoltaikanlage? So können auch nicht so gut ausgebildete Mitarbeiter eine sehr gute Erstkundenberatung machen und Aufträge erschließen.
Aber eigentlich erreicht KI alle Phasen eines Auftragsdurchlaufs?
Moortz: Richtig. Nach der Anlage der Kundendaten folgen Angebot und Präsentation. Auch der Vertragsabschluss ist KI-gestützt. Da prüft die KI z. B. ob alle erforderlichen Dokumente vorhanden sind. Sogar die Erstellung von Zahlungsplänen mit konkreten Terminen übernimmt die KI. Dann folgt die Projektabwicklung: Dazu gehört eine KI-generierte Handwerkerplanung, z. B. von Fremdgewerken, Verzögerungsprognosen oder die automatische Fortschrittsdokumentation. Hinzu kommt der Materialabgleich mit den Planungsdaten. Beim Projektabschluss gibt es dann eine KI-gestützte Auswertung von Kundenfeedback, digitale Abnahmelisten, die automatische Erstellung von Bedienungsanleitungen, eine umfassende Baudokumentation und die Rechnungsprüfung gegen die Bestellungen. KI ist immer dabei.
Wie steigt ein Dachdecker, der bislang wenig bis keine Erfahrung im Umgang mit KI in seinem Betrieb hat, am besten in das Thema ein?
Moortz: Sinnvoll ist es sich z. B. die App VoicePen aus dem App Store zuzulegen. Die zeichnet beliebig lange Deine Gespräche auf und transkribiert diese von Sprache in Text. Lange Gespräche werden damit sinnvoll zu - sammengefasst und können dann für weitere Nutzung mit KI genutzt werden. Du redest also z. B. bei einer Baustellenbesichtigung einfach drauf los, was Du an Anforderungen siehst. VoicePen fasst zusammen. Um dann daraus ein Bauprotokoll zu erhalten, muss ich der KI noch eine Struktur vorgeben, also z. B. ein altes Protokoll. Dann wird die KI aus den Aufzeichnungen diese Struktur mit den neuen Gegebenheiten aufbauen. Das kann man überall einsetzen: Baubesprechungen, Kundengespräche, Arbeitsaufgabe an die KI. Denn bei allen anderen KI-Tools, egal ob Du ChatGPT, Perplexity oder Gemini nimmst, kann man eine Arbeitsanweisung, den sogenannten Prompt für die KI hinterlegen. Diesen wendet KI dann immer wieder an. Wenn man diesen Grundsatz verstanden hat, kann man mit KI-Nutzung los legen.
Welche Tools sind für den Einstieg am besten, was muss ich kaufen?
Moortz: Fang erst mal mit kostenlosen Tools an, bevor Du teure Software kaufst. Meine Empfehlung für den Start: VoicePen als App für etwa 50 Euro im Jahr oder Plaud als Hardwarelösung - das ist ein echter Gamechanger für jeden Handwerker. Damit kannst Du auf der Baustelle einfach drauf los reden, und die App macht daraus strukturierte Texte. Dazu ChatGPT für Texte und E-Mails, Perplexity für Recherchen und Gamma.ai für Präsentationen. Gamma erstellt Dir aus ein paar Stichworten beeindruckende Angebotspräsentationen, die Deine Kunden vom Hocker hauen. Die Kombination kostet Dich keine 50 Euro im Monat. Der Trick ist: Nutze diese Tools täglich für echte Probleme. Erst wenn Du merkst, wo die Grenzen sind, investierst Du weiter. Viele Betriebe machen den Fehler und kaufen gleich teure Spezialsoftware, die dann ungenutzt rumliegt.
Brauche ich als Handwerker eine Weiterbildung oder ist KI learning by doing?
Moortz: Beides - aber in der richtigen Reihenfolge. Wir machen für das ganze Team eine kurze Schulung von zwei bis drei Stunden. Da lernen alle die Grundlagen und vor allem, was rechtlich okay ist. Denn wenn einer aus Versehen Kundendaten falsch verwendet, wird's teuer. Nach der Schulung geht's an die praktische Umsetzung. Wir schauen zusammen: Welche Aufgaben nerven Dich täglich? Welche Prozesse laufen schon gut? Welche Daten hast Du verfügbar? Daraus entwickeln wir konkrete Projekte. Bei längeren Terminen setzen wir auch schon direkt um. Der größte Fehler ist, mit KI Probleme lösen zu wollen, die seit 15 Jahren nicht funktionieren. Das ist wie ein Maurer ohne Bauplan - kommt nur Murks dabei raus. Erst die Prozesse hinkriegen, dann automatisieren.
Zum Beispiel?
Moortz: Der Monteur diktiert seine Arbeitszeiten während der Fahrt in VoicePen, die KI macht daraus automatisch einen strukturierten Arbeitsbericht. Was früher 30 Minuten Schreibarbeit war, dauert nur noch 2 Minuten Nachbearbeitung.
Zur Person: Thorsten Moortz ist Marketingexperte für die digitale Kommunikation in der Baubranche. Er ist der unumstrittene Vorreiter, wenn es darum geht, die Digitalisierung und die Methoden der künstlichen Intelligenz zur Reduktion administrativer Aufgaben im Handwerksbereich einzusetzen. Als erfahrener Mentor, Strategieberater, Vortragsredner, Marketing-Experte und Coach im Handwerk hat er sich einen Namen gemacht, indem er Handwerksbetriebe in die digitale Zukunft führt. In seiner Beratungsfirma "handwerk.live" arbeiten mittlerweile 11 feste "Crew-Mitglieder" daran, mit Spezialwissen die Unternehmen bei der Umsetzung der entwickelten Strategien zu unterstützen.
Text: Dachnews 02-2025, Redaktion Markus Schensina
Fotos: © roofland.com , handwerk.live